Mal angenommen, eine namhafte Zeitung fragt Sie nach einem Interview. Sie kennen sich thematisch aus, und die Anfrage an sich ist natürlich schmeichelhaft. Würden Sie eine solche Gelegenheit ausschlagen?
Kommt drauf an, aber ich lehne mittlerweile überwiegend ab. Letzter Fall: Die SZ bittet um ein Interview für eine Podcast-Reihe zum Thema “Blackout”. Deutschland hat im Winter 2022 Angst vor einem Blackout, daher wird der Podcast auf Spotify auch eine gewisse Reichweite haben. Thematisch bilde ich mir auch ein, etwas beitragen zu können. Der Haken daran: Das Sendungsformat.
In diesem Fall geht es um einen gebauten Beitrag. Dabei werden Ausschnitte aus Interviews (“O-Töne”) mit redaktionellen Zwischentexten vermischt. Dazu kommt noch etwas “Atmosphäre”, also Geräusche oder Musik. Aus Sicht der Radiomacher hat so eine Darstellung den Vorteil, dass man unterschiedliche Interviewpartner zu Wort kommen lassen kann, und in den Zwischentexten kann man Zusammenhänge erklären. Im Prinzip also eine hörerfreundliche Aufbereitung mit vielen Perspektiven — daran ist zunächst einmal nichts auszusetzen.
In der Realität steht aber, zumindest in meiner Wahrnehmung, die “Story” oft schon vor den Interviews fest. Der Redakteur sucht nur noch die passenden O-Ton-Geber zusammen. Als Interviewter hat man also schon eine Rolle, die durch die Struktur des gebauten Beitrags vorgegeben ist. Dabei verliert man dann jeglichen Einfluss auf den Kontext, in dem die eigenen O-Töne verwendet werden1.
Mal abgesehen davon, dass eigentlich die Recherche vor der Story kommt: Warum sollte ich mich als reiner O-Ton-Geber zur Verfügung stellen? Ich habe zum Thema “Blackout” schon 2016 alles gesagt, was ich für sinnvoll erachte 2. Wer sich wirklich ernsthaft mit den Thema beschäftigen mag: Ich empfehle die Stellungnahme “Resilienz digitalisierter Energiesysteme. Wie können Blackout-Risiken begrenzt werden?” der Deutsche Akademie der Technikwissenschaften. Transparenzhinweis: Ich war Mitglied der Arbeitsgruppe, welche diese Stellungnahme erarbeitet hat.
Letztlich würde ich so ein Interview nur für mein Ego geben, und nicht mit dem Ziel, jemanden von meiner Perspektive zu überzeugen. Solche Beiträge gibts aber schon genug in der Welt, daher: Ich halte mich mal vornehm zurück. Natürlich werde ich so nie ein “Influencer” werden — aber mit dem Risiko leb ich gerne.
Fußnoten
Anders bei schriftlichen Interviews: Dort ist es durchaus üblich, die wortwörtlichen Zitate vor Veröffentlichung nochmal durch den Interviewten freigeben zu lassen. ↩︎
Youtube scheint meinen Beitrag von damals jedenfalls nach wie vor relevant zu finden. Der hat mittlerweile gut ’ne halbe Million Views. Erstaunlich auch, dass in den Kommentaren immer noch dazu diskutiert wird, freut mich! ↩︎