Oft hört man von erfahrenen Elektroautofahrern den Ratschlag, auf eine Ladestation zu verzichten und stattdessen mit dem Notladekabel (auch ICCB genannt) zu laden. Damit kann man das Auto einfach an einer Schukodose laden — die Ladeleistung genügt meistens, um das Auto über Nacht vollzubekommen.
Das stimmt auch: Angenommen, mein Elektroauto verbraucht im Durchschnitt 15 kWh pro 100 km. Ich fahre durchschnittlich 50 km täglich. Dann reichen mir 15 kWh * 0,5 = 7,5 kWh zum Nachladen aus. Das schafft jede Haushaltssteckdose ganz bequem in ein paar Stunden: Die zulässige Dauerlast einer Schuko-Steckdose beträgt 13 Ampere, die maximal mögliche Dauerleistung beträgt also 230 V * 13 A = 2,99 kW. In etwa zweieinhalb Stunden wäre in dem Szenario mein Auto wieder vollgeladen. Im Verlauf einer Nacht (8 Stunden) kann man so 8*2,99 kWh, also knapp 24kWh, nachladen. Das genügt meistens locker.
Allerdings heisst das Notladekabel nicht ohne Grund so: Es ist für den Notfall gedacht, also den gelegentlichen Einsatz, wenn sonst keine Lademöglichkeit zur Verfügung steht. Gegen einen dauerhaften Einsatz spricht nicht das Notladekabel prinzipiell: Als ICCB muss es hohen Anforderungen genügen. Das Problem liegt eher bei der Schukosteckdose und der Hausinstallation dahinter. Genauso häufig wie den “Notladekabel reicht”-Rat findet man auch Berichte von verschmorten Schukosteckdosen:
Um so etwas zu verhindern haben viele Notladekabel einen Temperatursensor im Schukostecker eingebaut. Ich habe so ein Kabel mal aufgeschnitten. Neben den drei üblichen Leitern (PE, L, N) sieht man in folgendem Bild die beiden Anschlüsse eines Thermoelements:
Zwischen den beiden dünnen, abisolierten Adern hab ich bei Raumtemperatur einen Widerstand von 108 kOhm gemessen. Nach einiger Zeit im Kühlschrank stieg der Widerstand auf 180 kOhm. Das ist also ein Heißleiter: Bei hohen Temperaturen sinkt der Widerstand. In der ICCB ist das recht einfach auszuwerten: Wird der Widerstand gering ist der Stecker zu warm und der Ladevorgang kann abgebrochen werden. Das ist an sich eine gute Idee, schützt allerdings nicht immer vor Überlastung. Oft werden die Notladekabel nämlich an Verlängerungskabeln betrieben, so auch in diesem Fall:
Die Steckdosenseite des Kabels wurde vom ICCB zwar temperaturüberwacht — aber die andere Seite wurde bedenklich warm. In der Anleitung der Notladekabel ist zwar vermerkt, das man keine Verlängerungen verwenden soll. Aber wer liest diese? Und wer hält sich dann daran?
Außerdem kommt es natürlich auch immer auf die Installation im Haus selbst an. Das da ist eine Thermographie der Leitungen in meiner Garage, nachdem eine 3kW-Last (entspricht einem Notladeziegel mit 13A) für ein paar Stunden lief:
Die Installation ist elektrisch neu, wenn auch nicht ganz hübsch. Die Temperatur der belasteten Leitung ist im Vergleich zu den anderen drumherum deutlich erhöht. Das ist in diesem Fall überhaupt kein Problem, alles im Rahmen. Aber bei einem Altbau, der über eine alte und oft unbekannte Elektrik verfügt, kann das problematisch werden. Eine Dauerlast von 3kW kommt in den wenigsten Haushalten vor, daher weiß man oft nicht genau, in welchem Zustand die Verkabelung hinter einer bestimmten Steckdose ist.
Also keinen Notladeziegel verwenden?
Im Prinzip kann man auf eine Wallbox verzichten und mit einem Notladeziegel glücklich werden. Damit das auch dauerhaft passt sollte man sich allerdings von einem Elektriker entweder eine spezielle Schukosteckdose (z.B. von Legrand, ca. 70 Euro) oder eine CEE blau-Steckdose (“Campingsteckdose”) (etwa 5 Euro) setzen lassen. Beide Steckdosen sind für eine Dauerlast von 16A ausgelegt. Damit erwärmen sie sich weitaus weniger als eine normale Schukosteckdose, denn diese können die 16A nur kurzzeitig abgeben und vertragen Dauerlasten nur bis maximal 13A.
Genauso wichtig ist, das der Elektriker beim Einbau der Steckdose nochmal einen Blick auf die Leitung wirft, den Zustand der restlichen Elektroinstallation beurteilt und im Zweifelsfall auch durchmisst. Damit wird sichergestellt, das die Leitung den erhöhten Anforderungen durch das Notladekabel auch gerecht wird. Aber auf diese Thematik habe ich in diesem Artikel bereits hingewiesen.
Die Campingstecker-Variante
Wenn man den Campingstecker-Weg geht braucht man natürlich ein Notladekabel mit dem CEE blau-Stecker. Zum Experimentieren habe ich mir ein altes, defektes Notladekabel organisiert und wieder repariert. Es handelt sich dabei um ein Kopp Percedos MK6 wie im ersten Bild oben. Dieses Notladekabel wurde mit der ersten Generation des VW e-up! ausgeliefert und ist für einen Ladestrom von maximal 10A ausgelegt. Das ist für das Laden über Nacht immer noch ausreichend.
Der Schukostecker oben mit dem Thermoelement gehört zu diesem Notladekabel. Nach ein paar Messungen bin ich von dem Gerät nicht überzeugt, denn kurioserweise wertet der Kopp Percedos ein nicht angeschlossenes Thermoelement nicht als Fehler. Das ist für mich natürlich von Vorteil, denn ich möchten den Schukostecker durch einen CEE blau-Stecker ersetzen. Ich kann die beiden Adern also einfach ignorieren. Zuerst das Ende des Notladekabels abisolieren und mit passenden Adernendhülsen versehen:
Die beiden Leitungen des Thermoelements habe ich einfach in Schrumpfschlauch verpackt, damit diese nichts kurzschließen können. Das Ganze dann auf einen CEE-Stecker aufgelegt und zugeschraubt:
Das kann ich nun stressfrei auch in der Garage verwenden. Mir persönlich ist eine feste Wallbox lieber, denn
- das Erscheinungsbild ist recht aufgeräumt und mit einem Handgriff hab ich das Kabel eingesteckt und
- ich vertraue diesen ICCBs nicht — dazu werde ich aber einen separaten Artikeln schreiben.
Trotzdem kann man mit so einem CEE blau-Notladekabel denke ich recht glücklich werden – sicherer als eine dubiose Schukosteckdose ist das so auf jeden Fall. Entsprechende Notladekabel gibt es fertig z.B. als Tesla UMC oder von Mennekes. Im Prinzip kann auch jeder Elektriker die oben beschriebene Änderung durchführen und abnehmen; dafür muss man allerdings wissen, wie das Notladekabel auf einen fehlenden Temperatursensor reagiert. Gegebenenfalls kann man dem Notladekabel mit einem passenden Widerstand auch einen funktionierenden Temperatursensor vorgaukeln, denn mit einer gescheiten Steckverbindung hat der Temperatursensor sowieso seine Aufgabe verloren.
Dennoch muss ich natürlich darauf hinweisen, das derartige Änderungen nur von Elektrofachkräften vorgenommen werden dürfen. Use at your own risk!