TL;DR: Ich mache mir überhaupt keine Gedanken, das beim Elektroauto-Laden irgendwas passieren könnte. Allerdings weiß ich auch, das viele verschiedene Schutzsysteme dafür sorgen, das ich mir keine Gedanken machen muss. Im Folgenden erkläre ich, welche Details man beachten sollte.
Das da ist meine Ladestation in der Garage. In dem Schaltschrank ist diverse Technik verbaut, die es mir erlaubt, mit maximal 11kW zu laden. Damit bekomme ich meinen i3 innerhalb von drei Stunden komplett geladen. Das ist recht viel Strom, und dabei kann man sich schon einmal mulmig fühlen. Ist aber, wenn man ein paar Dinge beachtet, unbegründet.
Generell gehen von so einer Ladestation zwei Gefahren aus:
- Die Dauerbelastung der Leitungen, in meinem Fall drei Stunden lang 16A auf drei Phasen.
- Die Gefahr von Fehlerströmen, die zu einem elektrischen Schlag führen könnten.
Schutz der Leitungen vor Überlastung
Die erste Gefahr sollte man nicht unterschätzen, insbesondere bei älteren Hausinstallationen. In meinem Fall wurde allerdings die Stromversorgung vor Kurzem überarbeitet. Heisst: Eine 10mm^2-Zuleitung ist für die Drehstromversorgung in die Garage gelegt worden. Da mache ich mir also recht wenige Gedanken, das ich die Leitung überlasten könnte. In der Unterverteilung ist ein Leitungsschutzschalter mit 32A verbaut, ich könnte demnach auch eine 22kW-Ladestation anschließen. Bringt mit für den i3 aber nichts, der kann eh nur mit 11kW laden. Ich betrachte das mal als Reserve.
Der Leitungsschutzschalter macht genau das, was er sagt: Er schützt die Leitung vor Überlastung. Das ist wichtig, denn eine überlastete Leitung wird warm und kann letztlich auch zu einem Brand führen. Der Leitungsschutzschalter verhindert eine Überlastung durch zwei unterschiedliche, sich ergänzende Mechanismen:
- Wenn über längere Zeit ein etwas zu hoher Strom fließt stellt er das über einen Bimetallstreifen fest. Der erwärmt sich genau wie die Leitung. Ab einer gewissen Temperatur löst der Leitungsschutzschalter aus: Der Bimetall ist so weit verbogen das der Trennmechanismus auslöst. Das kann allerdings im Falle eines Kurzschlusses zu lange dauern.
- Für Kurzschlüsse gibt es noch einen zweiten, magnetischen Mechanismus. Der löst sehr schnell aus, sobald ein sehr großer Strom fließt.
Also: Bimetall für langsame, kleine Überlastungen, und ein Elektromagnet für Kurzschlüsse mit sehr großen Überlastungen. Passt.
Trotzdem: Eine Ladestation gehört nicht an eine alte Gammelleitung in der Garage, sondern an eine passend dimensionierte Leitung. Diese muss entsprechend abgesichert sein. Dann braucht man sich auch keine Gedanken über Brandgefahren zu machen. Ein Elektriker wird sich vor der Installation einer Wallbox Deine Leitungen anschauen und einschätzen, ob Deine Elektroinstallation dafür geeignet ist. Falls Du sowas wie folgende Abzweigdose findest solltest Du über eine neue Elektrik nachdenken.
Fehlerströme
Die zweite Gefahr besteht darin, das Fehlerströme auftreten könnten. Ein Fehlerstrom fließt immer dann, wenn eigentlich(TM) keiner fließen dürfte. Beispiel Waschmaschine: Durch einen Isolationsfehler könnte das Metallgehäuse mit einer Phase in Kontakt kommen und “unter Strom stehen”. Fasst man die Maschine an, bekommt man einen elektrischen Schlag. Beim Laden von Elektroautos kann das im Prinzip genauso passieren. Ein Fehlerstrom könnte z.B. die Karosserie des Autos unter Spannung setzen. Das gilt es natürlich unbedingt zu vermeiden!
Wann immer in den letzten Jahrzehnten Elektroverteilungen neu aufgebaut wurden hat man daher einen “Fehlerstromschutzschalter (FI)” eingebaut. Das ist ein Schutzschalter, der bei Fehlerströmen auslöst. Er trennt also den Stromkreis, bevor ein Mensch zu Schaden kommen kann. Das macht er recht einfach: Er bildet die Summe der Ströme, die über die Außenleiter (“Phasen”) zum Stromverbraucher fließen und über diejenigen, die über den Neutralleiter zurück kommen. Die Differenz der Ströme muss nahezu bei Null liegen. Ist diese größer, so “verschwindet” der Strom irgendwohin, d.h. es gibt einen Fehlerstrom. Und genau dann schaltet der FI ab. Allerdings braucht der Strom auch einen Weg, damit er irgendwohin verschwinden kann, und genau diesen Weg bietet der Schutzleiter.
Mein Wasserkocher hat z.B. einen Schukostecker, d.h. der Wasserkocher wird mit einem Außenleiter (“Phase”), dem Neutralleiter und dem Schutzleiter verbunden. Sagen wir einmal, das der Wasserkocher einen Defekt hat und nun 230V auf dem Gehäuse liegen würden. Genau das ist ja der gefährliche Fall: Ein verpennter Mathias fasst den Wasserkocher an und bekommt einen Schlag. Deshalb hat ein Schukostecker einen Schutzleiterkontakt: Dieser verbindet das Gehäuse des Wasserkochers mit dem Erdpotential der Elektoinstallation. Im Fehlerfall fließt nun also ein Strom vom Außenleiter über das Gehäuse in den Schutzleiter. Der FI sieht nun eine Stromdifferenz: Der Strom fließt über die Phase zum Wasserkocher, aber nur ein Teil kommt über den Neutralleiter wieder zurück. Der Rest fließt über den Schutzleiter zurück. Aus seiner Sicht “verschwindet” der Strom, also löst er aus — und zwar, bevor irgendjemand den Wasserkocher anfassen kann.
Der Schutzleiter beim Elektroauto
Beim Auto kommt nun hinzu, das es ziemlich gut gegenüber der Erde isoliert ist — es fährt ja auf Gummireifen. Die einzige Chance, das Auto zu erden, ist über das Ladekabel. Dieses verbindet die Karosserie mit dem Schutzleiter der restlichen Elektroinstallation. Damit dieser Kontakt auch wirklich immer besteht muss eine Ladestation den Schutzleiter permanent überwachen. Wie das genau funktioniert hab ich bei meinem Autosimulator beschrieben. Sollte der Schutzleiter unterbrochen werden wird der Ladevorgang sofort abgebrochen. Denn: Nur wenn der Schutzleiter verbunden ist kann ein FI auch einen Fehler entdecken. Das ist im Wesentlichen auch der Hauptunterschied zu einer einfachen CEE-Drehstromsteckdose: Die Leistung ist ähnlich, aber eine Ladestation regelt und überwacht die Erdung. Das macht das Laden auch im Regen sehr sicher. Ich halte es für fast unmöglich, bei einer funktionierenden Ladestation einen elektrischen Schlag zu bekommen.
Allerdings können beim Laden von Elektroautos andere Fehlerströme als in einer normalen Hausinstallation auftreten. Besonders wichtig sind dabei die Gleichstromfehlerströme (DC-Fehlerströme). Diese werden nämlich von einem normalen FI Typ A, wie er normalerweise im Haushalt verbaut wird, nicht erkannt. Dabei sind diese Gleichstromfehlerströme ähnlich gefährlich wie die anderen Fehlerströme — daher gibt es auch passende Fehlerstromschutzschalter dafür.
Leider wird z.B. im GoingElectric-Forum heftig über den Sinn von Fehlerstromschutzschaltern gestritten. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum in der Elektroauto-Community derart diskutiert wird. Ja, ein FI, der DC-Fehlerströme erkennen kann, ist um einiges teurer als ein “normaler” FI Typ A. Es geht letztlich aber um ein Gerät, das mich im (recht unwahrscheinlichen) Fall von Störungen vor ernsten Folgen schützt. Und das ist mir schon etwas Geld wert.
Davon abgesehen ist die entsprechende Norm absolut eindeutig: In der DIN VDE 0100-722 sind die notwendigen Schutzvorkehrungen bei der Installation von Ladetechnik beschrieben. Darin werden drei Möglichkeiten beschrieben, einen Wallbox-Fehlerstromschutz zu realisieren:
FI Typ B, erkennt u.a. Gleichstromfehlerströme ab 30mA, darf jedoch nicht hinter einem bereits existierenden FI Typ A installiert werden. Relativ teuer, und gegebenenfalls muss die Zuleitung neu verklemmt werden. Ab 400 Euro.
TI Typ A-EV, erkennt u.a. Gleichstromfehlerströme ab 6mA, darf auch hinter einem existierenden FI Typ A installiert sein. Kosten ca. 250 Euro.
Gleichwertiger Schutz in der Wallbox selbst, also eine “DC-Fehlererkennung”: Der Hersteller der Wallbox muss dafür gerade stehen. Bei einer “billigen” Wallbox würde ich mich nicht wohlfühlen. Ein FI Typ A muss in der Zuleitung vorhanden sein, bei Gleichstromfehlerströmen wird die Wallbox abgeschaltet.
Welcher Fehlerstromschutzschalter nun der richtige ist hängt natürlich auch von den Gegebenheiten vor Ort ab. In der Grafik oben sind die häufigsten Varianten dargestellt — wobei ich die Leitungsschutzschalter weggelassen habe, die müssen natürlich auch installiert sein!
Die Wallbox 1 hat keine DC-Fehlerstromerkennung und sitzt daher hinter einem FI Typ B. Dieser darf nicht hinter einem FI Typ A sitzen, daher ist er direkt mit dem Stromzähler verbunden. Die Wallbox 2 hat eine DC-Fehlerstromerkennung eingebaut und darf daher hinter einem FI Typ A sitzen. Das könnte auch der FI Typ A des Haushalts (oben in grau) sein, hier hat der Haushalt jedoch einen separaten FI Typ A. Der vielfältigste Fehlerstromschutzschalter ist der Typ A-EV. Die Wallbox 3 braucht keine DC-Fehlerstromerkennung, das macht der A-EV. Dieser kann entweder direkt hinter dem Zähler oder auch hinter einem FI Typ A (gestrichelt) eingebaut werden.
Es gibt also für jede Gegebenheit eine passende Einbauvariante. Welche die Richtige ist kann ein Elektriker entscheiden; den sollte man eh wegen dem Gesamtzustand der Elektrik konsultieren. Unterm Strich: Nicht lange nachdenken, sondern eine der drei Varianten realisieren, Punkt. Dann muss man sich beim Laden keine Gedanken machen — ob in Garage, Carport, bei Sonne oder Regen.