Daheim Elektroauto laden? Smartmeter kommt!

TL;DR: Kann das Laden eines Elektroautos dazu führen, das ich ein teures “Smart Meter” bekomme? Die Antwort lautet ja, und in diesem Artikel erkläre ich die Zusammenhänge. Basierend auf einer kleinen Umfrage von Elektroautofahrern prognostiziere ich, das 25-30% derjenigen, die daheim laden, deshalb ein sogenanntes “intelligentes Messsystem” zu Preisen um 100 Euro/Jahr bekommen werden.

Typ2-Stecker in blauem i3

Ich lerne ja immer am Meisten, wenn ich Fehler mache. Diesmal war ich bei den Cleanelectric-Jungs zu Gast und habe versucht, Eichrecht und das Laden von Elektroautos zu erklären. Dabei habe ich am Rande auch über Smart Meter geredet. Wie jedoch ein aufmerksamer Hörer zurecht kritisierte waren meine Angaben falsch:

“Also eure Preisangaben zu Smartmetern kann ich nicht nachvollziehen. Genannt werden bis zu 60€ pro Monat!”

— Martin

Lieber Martin: Danke für Deine Kritik! Ist natürlich falsch, ich habe von Kosten pro Monat geredet, richtig wäre allerdings pro Jahr. Ich hab versucht das in meiner Antwort auf den Kommentar richtigzustellen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat einen hervorragenden Artikel, der den Sachstand gut darstellt. Darin kommt auch eine Grafik der Preise vor, die auch schön zeigt, was mich an den Smart Metern stört.

Kurzgefasst: Es gibt “moderne Messeinrichtungen”, also ein digitaler Strommesser". Der kann allerdings nicht kommunizieren, sondern ersetzt einfach nur einen analogen Zähler. Keine App, keine Internetanbindung. Dazu braucht man noch ein “Smart Meter Gateway”, das die moderne Messeinrichtung auslesen kann. Diese Kombination aus den beiden Geräten nennt man dann “intelligentes Messsystem”. Ich vereinfache im Folgenden etwas — schau im Zweifelsfall lieber noch einmal in den Artikel der Verbraucherzentrale.

Nicht jeder bekommt so ein intelligentes Messsystem. Grob gesagt: Wer weniger als 2000 kWh/Jahr verbraucht, keine Stromheizung hat und auch keine Photovoltaikanlage, der bekommt absehbar wohl nur eine moderne Messeinrichtung und bezahlt bis zu 20 Euro/Jahr.

Auf der anderen Seite ist recht klar: Wer mehr als 6000 kWh/Jahr verbraucht, elektrisch heizt oder eine Photovoltaikanlage mit mehr als 7kW Leistung hat wird ein intelligentes Messsystem bekommen. Das Problem hierbei sind die Kosten, denn der Spaß kann bis zu 130 Euro/Jahr kosten.

Dazwischen, also zwischen 2000 kWh/Jahr und 6000 kWh/Jahr Stromverbrauch oder Photovoltaikanlagen zwischen 1 und 7 kW Leistung, kann der Messstellenbetreiber entscheiden, ob er ein intelligentes Messsystem einbauen möchte – zu Jahreskosten zwischen 23 und 60 Euro/Jahr.

Die Argumentation von Seiten der Messstellenbetreiber ist, das man mit so einem intelligenten Messsystem ja seine Stromkosten reduzieren kann und dadurch wieder Geld spart. Glaube ich nicht daran, zumal die meisten Stromsparmöglichkeiten nur einen einmaligen Effekt haben, die Zählergebühr aber dauerhaft anfällt.

Aber zurück zur Elektromobilität. Als um 2008 die Diskussion um Smart Meter in Deutschland und Europa begann hatte noch niemand Elektroautos auf dem Radar. Prinzipiell ist es aber natürlich egal, welches “Gerät” daheim den Strom verbraucht.

Umfrage: Wie laden Elektroautobesitzer?

Ich wollte schnell überprüfen, ob das Thema für Elektroautofahrer relevant ist, und hab eine schnelle Umfrage im Cleanelectric-Slack gestartet. Vielen Dank an die 33 Leute, die sich die Mühe gemacht haben, die folgenden Fragen zu beantworten:

  1. Wieviele Kilometer fährst Du im Jahr?
  2. Lädst Du überwiegend daheim?
  3. Heizt Du elektrisch, z.B. via Wärmepumpe oder Elektroheizung?
  4. Nutzt Du elektrische Wasserbereiter, z.B. einen Durchlauferhitzer?
  5. Wie hoch ist Dein Stromverbrauch in kWh pro Jahr?
  6. Falls Du eine Photovoltaikanlage (oder andere Erzeuger) hast: Wieviel Strom produzierst Du im Jahr?

Natürlich ist eine Umfrage mit 33 Antworten nicht ausreichend, um ein abschließendes Bild zu bekommen — aber für einen ersten Eindruck reicht es aus. Zunächst zu den jährlichen Fahrleistungen: Im Mittel werden 22076 km gefahren. Die Gruppe der Daheimlader fährt etwas mehr, nämlich im Durchschnitt 22929 km, als die Gruppe der Öffentlichlader (20583 km im Durchschnitt). Als Histogramm sieht das ganze so aus:

Fahrleistung in Kilometer pro Jahr als Histogram

Ehrlich gesagt bin ich über die Bandbreite der Kilometerleistungen schon etwas erstaunt. Ich hätte weniger Antworten aus dem Bereich >25000 Kilometer/Jahr erwartet — andererseits sind im Cleanelectric-Slack natürlich auch die Elektroauto-Ultras versammelt ¯_(ツ)_/¯.

Da sind ein paar echte Vielfahrer dabei; ich vermute, das sie mit einem Tesla die Supercharger-Infrastruktur nutzen. So sicher bin ich mir da allerdings nicht: Von den drei Umfrageteilnehmer mit der höchsten Kilometerleistung (mehr als 40000 km/Jahr) geben zwei an, das sie überwiegend zuhause laden. Ein Scatterplot gibt einen guten Überblick:

Fahrleistung und Stromverbrauch pro Jahr

In diesem Graph ist die Fahrleistung mit dem Stromverbrauch verglichen. Nicht überraschend: Diejenigen, die überwiegend daheim laden, haben auch einen höheren Stromverbrauch.

Stromverbrauch (kWh)DaheimladerÖffentlichlader
Minimum2200600
Durchschnitt73292773
Median68002750
Maximum200005000

Dabei kann ich natürlich nicht unterscheiden, ob im gleichen Haushalt noch weitere große Verbraucher wie z.B. ein Schwimmbad vorhanden sind. Aber die Tendenz erscheint mir plausibel. Vergleicht man die Stromerzeugung so erhält man ein ähnliches Bild:

Stromverbrauch und Stromerzeugung pro Jahr

Auch hier erzeugen die Daheimlader im Mittel mehr als diejenigen, die öffentliche Ladeinfrastruktur nutzen. Konkret:

Stromerzeugung (kWh)DaheimladerÖffentlichlader
Minimum10001800
Durchschnitt113785100
Maximum250007000

Ja und was ist nun mit den Smart Metern?

Zurück zur eigentlichen Frage: Führt das Laden eines Elektroautos denn nun zum Einbau eines intelligenten Messsystems? Für einige Leute schon. Von den 21 Daheimladern würden 15 alleine aufgrund ihres Stromverbrauchs (mehr als 6000 kWh/Jahr) ein intelligentes Messsystem eingebaut bekommen. Von den 15 Haushalten sind allerdings 9 sowieso schon Pflichteinbaufälle, da sie Photovoltaik oder Wärmepumpe etc. haben. Bleiben 6 von 21 Haushalten, die durch das Elektroauto ein intelligentes Messsystem bekommen. Das sind immerhin 28,6% der Daheimlader, wobei für eine statistisch wirklich belastbare Aussage mehr Umfrageteilnehmer nötig wären. Auch bei den optionalen Einbaufällen tut sich was: In weiteren 6 Haushalten (also wiederum 28,6% der Daheimlader) könnte der Messstellenbetreiber aufgrund des Stromverbrauchs ein intelligentes Messsystem einsetzen.

Struktur der Einbaufälle

Im Moment werden noch keine intelligenten Messsysteme eingesetzt, weil derzeit nur ein Smart Meter Gateway (also die Kommunikationskompontente) ein Zertifikat des BSI erhalten hat. Erst wenn es drei zertifizierte Smart Meter Gateways gibt, gilt die Technik als marktreif. Das wäre der Startschuss für die Umrüstung. Wie die Strommessung in Zukunft gehandhabt wird und welche Preise real aufgerufen werden weiß derzeit allerdings noch niemand.

Insgesamt würde ich auf der Basis der Umfrage sagen, das für 25-30% der Daheimlader ein recht teures intelligentes Messsystem fällig wird. Wohlgemerkt: Momentan kann man weder seine Messdaten in hoher Auflösung z.B. für die Steuerung seines Smart Homes verwenden noch gibt es attraktive Stromtarife, die “stromnetzfreundliches” Laden belohnen würden.

Dabei könnten intelligente Messsysteme eigentlich einen sehr schönen Effekt haben: Meine Wallbox daheim könnte das Auto in preiswerten Zeiten laden und dafür sorgen, das ich morgens immer vollgeladen losfahre — zu möglichst günstigen Kosten. Im europäischen Ausland ist das schon Realität: Dank stark reduzierter Nebenzeittarife kann man dort sein Auto recht günstig laden. Ökonomisch und ökologisch eigentlich der richtige Schritt: Wenn kein anderer den Strom haben will lade ich eben mein Auto (solange es am nächsten Morgen voll ist). Das schafft recht große zeitlich verlagerbare Lasten und hilft mit, das z.B. Windkraftanlagen wirklich produzieren können und nicht abgeschaltet werden.

Früher hatte man einfach einen HT/NT-Zähler, der via Rundsteuerempfänger umgeschaltet wurde. Die “teuren” Zeiten waren tagsüber, und mit dem billigen Nachtstrom wurde die Nachtspeicherheizung aufgeladen. Technisch war das Startsignal für die Nachtspeicherheizung eben jenes Rundsteuersignal, das auch den Stromzähler auf das billigere Nebenregister umgeschaltet hat. Einen ähnlich simplen Mechanismus wünsche ich mir auch für die “intelligenten” Messsysteme — ansonsten kosten sie nur Geld, ohne sinnvoll Kosten (und CO2) zu sparen. Technisch ist eigentlich alles da, aber die entsprechenden Angebote fehlen noch. Wird Zeit, da was zu tun!


Ich vertraue meiner Analyse, aber im Zweifelsfall will man die Rohdaten und die Analyse trotzdem einsehen können. Daher ist die Datenanalyse inklusive der Antworten auf Github verfügbar: https://github.com/gonium/elektromobilitaet-schnellumfrage.

Um die Daten auf Plausibilität zu prüfen hab ich mal beim Kraftfahrtbundesamt die durchschnittliche Jahresfahrleistung 2017 nachgeschlagen: 13257 km/Jahr. Wenn man nun einen Verbrauch von 16kWh/100 km unterstellt kommt man auf einen Stromverbrauch von 13257 / 100 * 16 = 2121.12 kWh/Jahr. Das liegt eher am unteren Ende der Umfragewerte. Allerdings sind die Daheimlader üblicherweise auch Pendler, d.h. die Jahresfahrleistung sollten über dem Durchschnitt aller Autofahrer liegen. Außerdem sind in obige Zahl auch LKW (bis 3,5t) etc. enthalten. Daher halte ich die Zahl des KBA für einen Indikator, der zeigt, das die Größenordnung meiner Analyse stimmt. Mehr allerdings nicht, den diese Zahl kann man nicht sinnvoll auf Daheimlader übertragen.

Unterstützen

Hier gibt es keine Werbung, denn ich schätze meine Unabhängigkeit. Ich schreibe diese Texte nicht, um reich zu werden — aber ich mag Kaffee. Wenn Ihnen der Text also eine Kleinigkeit wert ist: Hier geht es zu meiner Kaffeekasse, vielen Dank!

VG Wort tracking pixel