Rechtliche Aspekte digitaler Fertigungsverfahren

Hinweis: IANAL. Dies ist meine juristische Laienmeinung - ich freue mich aber über sachkundige Kommentare.

Wenn ich von 3D-Druckern erzähle, sind die ersten Fragen normalerweise “Funktioniert das?”, “Wie teuer ist das?” und “Kann man damit nicht auch Waffen drucken?” — in dieser Reihenfolge. Ich weiss nicht, warum sich so viele Leute Gedanken über gedruckte Waffen machen, aber um es klar zu sagen: Ja, kann man. Einen einfachen Schlagring kann man schnell drucken. Wahrscheinlich ist es aber einfacher, ein Stück Holz mit einer Säge zu bearbeiten. Für beide Varianten gilt: Sie sind in Deutschland verboten (§ 2 Abs. 3[1] i. V. m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.2[2] WaffG).

[CC-BY-SA Rama](https://en.wikipedia.org/wiki/File:Musee-de-lArmee-IMG_1038.jpg)

Bei Schusswaffen wie der kürzlich aufgekommenen Liberator (oben das Original aus dem 2. Weltkrieg) ist die Rechtslage eigentlich klar: Es ist verboten, Schusswaffen ohne Genehmigung (sowohl gewerblich als auch privat) herzustellen (vgl. §§ 21, 26 WaffG). Dies ist unabhängig vom Produktionsprozess. Ein Verbot beziehungsweise eine Einschränkung von 3D-Druckern erscheint vor dem Hintergrund frei erwerblicher Drehbänke recht lächerlich.

Abgesehen von der ganzen Waffendebatte ergeben sich allerdings einige interessante Fragestellungen im Bezug auf digitale Fertigungsmethoden. Die rechtlichen Konsequenzen des Bastelns mit 3D-Druckern, Lasercuttern oder CNC-Fräsen sind gerade für den Hobbybastler nicht ganz intuitiv. Es gibt derzeit noch keine spezifische Rechtsprechung im Hinblick auf digitale Fertigungsmethoden, das heisst allerdings nicht, daß es keine generellen Regeln gibt. Der grundsätzliche Unterschied zu anderen Fertigungsmethoden besteht darin, daß durch digitale Designdateien der Schöpfer vom Produzenten getrennt wird. Da diese Unterscheidung bislang in der Rechtsprechung nicht relevant war, entsteht eine Interpretationslücke.

Ich versuche in diesem Post, einen schnellen Überblick über die Thematik zu geben. Hauptsächlich sehe ich zwei betroffene Rechtsgebiete: Das Immaterialgüterrecht beschäftigt sich mit dem Schutz immaterieller Güter, d.h. von Wissen. Dazu gehört neben dem Urheberrecht auch das Patentrecht, das Geschmacksmusterrecht und das Markenrecht. Weiterhin spielt die Haftung für Produktmängel eine interessante Rolle, da nicht unbedingt klar ist, wer Produzent eines Gegenstandes ist und als solcher für Produktmängel haftet.

Für eine detaillierte Betrachtung empfehle ich einen Blick in die Referenzen und die verlinkten Gesetze. Der folgende Text ist als Einstieg in die Problematik zu verstehen.

Patentrecht

Das Patentrecht umfasst Patente und Gebrauchsmuster (“kleine Patente”). Diese schützen technische Erfindungen, d.h. der Erfinder darf die Erfindung exklusiv verwerten. Er kann jemandem verbieten, die Erfindung zu benutzen. Die ursprüngliche Motivation dieser Regelung ist, dass eine neue Technik möglichst schnell offengelegt werden soll, damit auch andere davon lernen können. Gleichzeitig sollte der Erfinder aber für seine Mühe entlohnt werden. Ob dieses System auch heute noch so funktioniert steht allerdings auf einem anderen Blatt.

Ich darf also keine patentierten Dinge nachbauen und verkaufen. Für den rein persönlichen Gebrauch dürfen allerdings auch patentierte Erfindungen hergestellt und genutzt werden. Beispielsweise darf ich eine “heated build chamber” wie oben dargestellt problemlos für mich privat bauen, obwohl die Technik von Stratasys patentiert ist.

Ist es hingegen legal, einen patentierten, aber nachgebauten Gegenstand weiterzugeben? Vermutlich nicht. Interessanter ist aber: Verletze ich ein Patent mit der Weitergabe einer Designdatei? Eigentlich ist die Weitergabe von Informationen bezüglich eines Patents erlaubt &mquot; man denke an die Patentschrift. Dies ist auch ganz im Sinne der ursprünglichen Motivation für das Patentsystem. Darauf verlassen würde ich mich allerdings momentan nicht. Es kann also gut sein, dass viele Maschinen etc., die auf Thingiverse etc. angeboten werden, Patente verletzen und der Urheber der Dateien dafür zur Rechenschaft gezogen werden kann.

Geschmacksmusterrecht

Durch Eintragung beim Patent- und Markenamt kann eine 2D- oder 3D-Form bis zu 25 Jahre lang geschützt werden. Voraussetzung dafür ist eine charakteristische Form, d.h. die konkrete, sichtbare Gestaltung wird geschützt. Daran angelehnte Werke oder auch nicht sichtbare Teile können nicht als Geschmacksmuster geschützt werden. Beispielsweise versuchte Lego, nach dem Ablauf ihres Patents auf Legobausteine die charakteristische Form der Steine schützen zu lassen. Allerdings wurde die Eintragung angefochten und hatte letztlich keinen Bestand: Es ist nicht zulässig, Dinge zu schützen, deren Patent abgelaufen ist.

Interessant sind hier die sog. “must match”-Teile, d.h. Ersatzteile, die zu einem anderen Teil passen müssen. Ein Kotflügel läßt sich als Geschmacksmuster schützen (im Gegensatz z.B. zu einer Wasserpumpe, da letztere normalerweise nicht sichtbar ist). Kartellrechtlich muss es allerdings einem Ersatzteilhersteller möglich sein, Ersatzteile selbst anzubieten. Es gibt in der EU daher Übereinkommen der Automobilhersteller, diese Verletzung ihrer Geschmacksmuster nicht zu verfolgen. Meines Wissens nach gibt es derzeit noch keine Rechtsprechung, wie es in anderen Wirtschaftsbereichen mit dem Konflikt zwischen Kartell- und Geschmacksmusterrecht aussieht. Meine iPhone-Halterungen könnten auch in diesen Bereich fallen.

Markenrecht

Das Markenrecht schützt vor allen Dingen das Kennzeichen eines Unternehmens im Geschäftsverkehr, z.B. ein eingetragenes Warenzeichen. Allerdings gilt dies nicht für den privaten Bereich: Das Anfertigen eines Benzsterns ist erlaubt, der Verkauf dieser Kopie jedoch nicht. Ein fremdes Logo auf eigene Dinge anzubringen wäre ebenso eine Verletzung der Rechte des Markeninhabers. Die zentrale Frage ist also, ob eine Marke im geschäftlichen Verkehr genutzt wird. Wenn ein Hackerspace also einen Arduino-Klon vertreibt und auch so nennt, dann kann das eine Verletzung der Markenrechte der Arduino-Markeninhaber sein.

Urheberrecht

Das Urheberrecht gestattet es dem Urheber, grundsätzlich darüber zu entscheiden, was mit seinem Werk geschieht. Nach § 2 UrhG unterliegen u.a. Musik, Fotografien und Filme dem Urheberschutz. Generell gilt Urheberrechtsschutz aber nur für Werke der schöpferischen Gestaltung, d.h. es muss eine gewisse Schaffenshöhe erreicht werden. Dies trifft nicht grundsätzlich auf ein 3D-gedrucktes Teil zu, insbesondere nicht für Alltagsgegenstände wie z.B. Besteck oder Spielsteine z.B. für die Siedler von Catan. Für Nachbildungen von Kunstgegenständen wie z.B. Büsten kann das Urheberrecht hingegen schon gelten.

Streitigkeiten können schon bei der Erstellung der digitalen Designdaten entstehen. Wenn jemand sein Design nur an ein bestehendes (ggf. geschütztes) Design anlehnt, ist unklar, ob diese Nachempfindung eine Rechteverletzung ist. Es bietet sich hier Interpretationsspielraum, nicht zuletzt auch für Abmahnanwälte. Eine Fortführung der Filesharing-Debatte ist hier wohl zu befürchten. Der Nachdruck von urheberrechtlich geschützten Designs dürfte hingegen in den Bereich der Privatkopie (§ 53 UrhG) fallen, insbesondere, wenn man von einem nachempfundenen Design ausgeht [2]. Anders allerdings, wenn jemand frei verfügbare Vorlagen nachdruckt und die Objekte dann verkauft — dann gilt die Ausnahme der Privatkopie nicht mehr.

Haftung

Hier gibt es zwei Bereiche, die zu betrachten sind:

  • Produkthaftungsgesetz: Die Produkthaftung ist verschuldensunabhängig, d.h. der Produzent haftet schon für das Inverkehrbringen eines fehlerhaften Produkts.

  • Produzentenhaftung lt. BGB: Diese ist verschuldensabhängig, d.h. der Produzent haftet dafür, dass Fabrikationspflichten etc. schuldhaft nicht eingehalten wurden.

Beim 3D-Druck ergibt sich die Frage, wer Produzent ist: Derjenige, der CAD-Daten zur Verfügung stellt oder erst derjenige, der den Gegenstand ausdruckt. Hier ist die Rechtsprechung noch unklar, allerdings gibt es durchaus Urteile, die Software als Produkte im Sinne des Produkthaftungsgesetzes ansehen (vgl [0]). Wenn schon die Publikation von Designdateien als “Produktion” gilt, sind die Konsequenzen unabsehbar. Die Produkthaftungsfragen können zu sehr teuren juristischen Auseinandersetzungen führen. Für Privatleute oder auch Hackerspaces sind dies Risiken, die eigentlich nicht tragbar sind.

Fazit

Derzeit gibt es für mich viele Rechtsbereiche, die ich nicht genau überblicke, aber sehr wohl einen Einfluss auf meine Bastelaktivitäten haben können. Eine juristische Einschätzung für den amerikanischen Raum hat Michael Weinberg[4] vorgenommen — das Paper ist auf jeden Fall einen Blick wert, leider jedoch nicht direkt auf die deutschen bzw. auch europäischen Gegebenheiten übertragbar. Möchte jemand mit mehr Sachverstand eine deutsche Version erstellen?

Referenzen

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